Oho, zum ersten mal seit langem ist die Besucherzahl gegenüber dem Vorjahr nicht gestiegen. Mit den diesjährigen 148.ooo Besuchern waren dennoch viele Beine unterwegs, die sich Donnerstag und Freitag angenehm gut und am Wochenende ordentlich geschoben und gedrängelt auf der Spiel 07 befanden, auch wenn ihnen dazu mehr Fläche als 2oo6 zur Verfügung stand. Ganze 44.100qm durften die Spieleverlage in diesem Jahr belegen und uns Spielern und Journalisten anbieten. Von Jahr zu Jahr sind des mehr Neuheiten, die gemeldet werden und die die Herzen der Messe-Besucher begeistern sollen. In diesem Jahr war von über 500 Neuheiten die Rede - eine Zahl die man kaum glauben kann, wenn man die Messe nicht persönlich erlebt hat. Hat man jedoch gesehen, wie sich am Wochenende die Besucher durch die Gänge schieben und daß dieses für Groß und Klein gilt, sieht man erst einmal wieder, wie hoch das "Kulturgut Spielen" in Deutschland steht - auch wenn noch nicht jeder erkannt hat, daß Spielen ein Kulturgut ist.
Ein Spiel, das sich vor vielen Jahren in die Herzen der Spieler gespielt hat und durch diverseste Erweiterungen dort auch immer gut gehalten hat, ist Bohnanza. Das Spiel ist so beliebt, daß es Anfang des Jahres einen Zeichenwettbewerb von Lookout Games gegeben hat, in dem die vielen Fans aufgefordert waren, die Bohnen des Spieles so zu zeichnen, wie sie sie sehen. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen und ist zu dieser Messe als Bohnanza Fan-Edition erschienen. Wir dürfen gespannt sein, mit welchen und wievielen Ideen uns der Verlag noch zu diesem Spiel überraschen wird.
Aber Bohnanza war natürlich nicht das einzige Spiel, das eine Fortsetzung/Erweiterung bekommen hat, denn auch Richard Breese war wieder in Essen vertreten und dieser hat seiner Serie von "Key-Spielen" (Spiele mit "Key" im Titel) mit Key Harvest einen weiteren interessaten Titel hinzugefügt. Etwas abstrakter, aber nicht weniger erfolgreich hat das auch Kris Burm praktiziert, der mit TZAAR in diesem Jahr einen Erstatz für TAMSK entwickelt hat, der sich besser in die GIPF-Serie einpassen soll, als TAMSK, das durch seine Sanduhren einen etwas anderen Spielcharakter aufwies. Jetzt ist das Spiele ohne Drang bei allen Spielen der Serie möglich. TAMSK kann natürlich auch weiterhin gespielt werden, zählt allerdings nicht mehr zur GIPF-Serie, sondern jetzt eher zu den Freunden von GIPF.
Ein weiteres gutes Beispiel dieser Serie ist "Zug um Zug", welches inzwischen mit diversen Grundspielen und diversen Erweiterungen immer neue Märkte erschließen möchte. Sei es die Märklin-Edition für die Model-Eisenbahn-Fans, die Nordic Countries für die Skandinavier oder gar der neueste Wurf, die Schweizer Erweiterung. Sind die Verbraucher wirklich so anspruchslos, daß ihnen 2 bis 3 neue Regeln für so ein Spiel ausreichen? Kann man dann wirklich davon sprechen, daß die deutsche Spiele-Szene die Basis ist, auf der sich die weltweite Szene aufbaut? Spätestens wenn es die ersten regionalen Ausgaben gibt, die so schöne Namen wie "Zug um Zug - Nachbarort" oder "Zug um Zug - Dein Arbeitsweg" tragen, fange ich wirklich an, an der Spielekultur Deutschland zu zweifeln. Oder ich lerne, den Mainstream als solchen zu sehen und blicke selber nur noch über den Tellerrand.
Ist es auch eine Serie, wenn ein Verlag einen Buchstaben im Verlagsnamen hat und diesen Buchstaben in jeden neuen Titel einbaut, den er auf den Markt bryngt, auch wenn dieser Buchstabe nicht immer passt? Wye man es auch nennen möchte, so ist durch die anderen Spiele von Ystari schon jetzt klar, daß wir von diesen Verlag nur erstklassige Spiele erwarten dürfen. Andererseits ist es aber genau so, daß ich mir um den Namen eines Spieles keine Sorgen machen muß, wenn ich im Gegenzug weiß, daß es in diesem Verlag erscheint. Eine seltene Konstellation und dabei eine, die nicht einmal die großen Filmstudios schaffen, denn selbst dort ist nicht alles Gold was glänzt. Da lobe ich mir meine Y-Spieletitel mit Amyitis in diesem Jahr und freue mich auf viele fairspielte Stunden, die ich in naher Zukunft haben werde. Auch wenn man bei Amyitis natürlich nicht so stark an die anderen Spiele der Y-Serie erinnert wird, wie bei "Zug um Zug" oder "GIPF".
So eine Serie will aber erst einmal gestartet werden und in ihren ersten Teilen akzeptiert sein. Wie schwer das ist, hat nicht nur Kris Burm feststellen müssen, der für seine Serie mindestens 3 verschiedene Verlage benötigt hat. Somit sollte man als Autor zwar versuchen, sich neue Spiele einfallen zu lassen, doch sollte der Serien-Gedanke dabei nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Denke ich da z.b. an Peer Sylvester mit seinem König von Siam und den diversen Prototypen, die ich schon testen durfte, so freut es mich doch ein wenig, Neues zu sehen, daß sich in vermeindlich kleinen Verlagen präsentiert. Histogames wird nach diesem Sylvester sicher ein wenig bekannter sein als vorher - Dem König von Siam wird es vermutlich nicht ähnlich ergehen ;-).
Neuheiten müssen allerdings nicht immer so neu sein, daß kein Mensch sie kennt. Neuheiten können auch einfach nur die Veränderung des Blickwinkles des Spieles sein. So geschehen bei Black Box, das schon seit vielen Jahren bekannt und auf dem Markt ist. Die Innovation in diesem Jahr - nachdem Eric Solomon 5 Jahre gebraucht hat, um den Verleger zu überreden - ist das veränderte Raster. Jetzt spielt sich das ganze nicht mehr auf einem quadratischen, sondern einem hexagonalen Raster ab (ob damit wohl ein Das-ist-ja-wie-Siedler-Spiel vorgegaukelt werden soll?). Die Regeln müssen dafür nicht sehr gebogen werden, das Spielfeld wird ein wenig kleiner und doch gibt es mehr Möglichkeiten seinen Suchstrahl in das Atom zu schicken. In der Summe war das ein feiner Schritt, der das Denken aus den eingefahrenen Bahnen reisst. Einen ähnlichen Schitt hat auch Ubongo gemacht, das in diesem Jahr als Ubongo Extrem nach den sechseckigen Sternen greifen möchte, die es mit den quadratischen Teilen schon erreicht hat.
Neben diesen echten Neuheiten gabe es jedoch auch Neuheiten, die nach viel mehr ausschauen, dann aber viel weniger sind. Wenn mir da z.B. ein schönes, scheinbar keltisches Holzspiel auffällt und mein Interesse weckt, bin ich doch arg verwundert, wenn hinterher nicht viel mehr (oder eher etwas weniger) als ein neues "Mensch ärgere dich nicht" dabei heraus kommt. In diesem Fall hat jeder Spieler nur 3 statt 4 Steine und der Würfel 4 statt 6 Seiten. Außerdem sinkt die Mitspielerzahl von 4 auf 3. Das ist nicht wirklich innovativ, auch wenn es unter dem Deckmantel von "alte Spiele neu entdeckt" geschieht. Oder gibt es einen Grund, den ich übersehen habe, der "Drey Kelten rennen" gegenüber "Mensch ärgere dich nicht" hervorhebt. Zumal ja auch der Titel falsch ist, denn 3 Kelten rennen ja nur, wenn ich das Spiel solo spiele. Von einer derartigen Variante weiß ich zwar nichts, aber auch für "Mensch ärgere Dich nicht" würde ich sie nicht empfehlen.
Was auch nicht wirklich toll ist, ist die Namensgebung von Spielen, bei denen man kaum mehr als nur die Lizenz erworben hat, diesen Titel zu verwenden. Wenn ich da an die vielen Spiele zum Thema "Herr der Ringe" denke, wird mir noch immer ganz schlecht, denn zu den Zeiten reichte es oft nicht aus, den Spieletitel zu sagen, wenn man ein Spiel spielen wollte, man musste vielmehr auch teilweise noch den Verlag oder gar die Schachtelgröße angeben. In diesem Jahr ist es Kosmos, die 2x das Spiel "Der goldene Kompass" heraus bringen. Ich möchte das nicht verstehen und kann mich also nur an den Kopf fassen, wie eine so vorprogrammierte Verwirrung des Kunden billigend in Kauf genommen wird. Natürlich hat man mit 2 Spielen mehr Umsatz, als mit einem Spiel, aber wenn die Statistiker noch wissen wollen, wie der Umsatz mit 2 Spielen gleichen Namens ist, so ist man hier auf dem besten Weg, weiß aber hinterher nie, ob alle Kunden, die in den Verkaufsstatistiken auftreten, auch das Spiel erworben haben, das sie wollten. Ich hoffe mal, daß das kein Trend wird.
Auffällig waren auch die vielen Animateure, die in ihren Kostümen über die Messe liefen. So gab es Kostüme, die aus kaum mehr als einer Bemalung auf der Haut bestanden, aber auch solche, die den Träger in so viel Watte packten, daß er doppelt so dick erschien und es sehr wahrscheinlich angenehm warm hatte. Trotzdem war auch hier noch immer ein Lächeln zu entdecken. Gelächelt haben übrigens auch die Kinder, die man überall spielen sah, auch wenn es nur der Gang zwischen 2 für ihre Eltern interessanten Ständen war. Der Spaß war also überall präsent, ob an dem schönsten Stand oder auf dem glattesten Boden - Es kommt einzig und allein darauf an, was man daraus macht. Das gegenteilige Beispiel war dann der im rechten Teil vollgemüllte Stand 6-267, von dem man sogar verjagt wurde, wenn man sich kurzzeitig auf der freien Bank niederlassen wollte, um sich neu zu orientieren und einen Apfel zu zücken. Danke "Engelsschmiede, Gelebte Geschichte bzw. Leuengold".
Neu und ungewöhnlich war das Erscheinen von Stonehenge ebenso, wie das Erscheinen von Miss Canada auf der Spielemesse. Während Stonehenge sich bemüht, seine Einzigartikeit durch Diversifikation zu erlangen und Spielregeln zum vorgegebenen Spielmaterial von anfangs 5 und später bis zu 30 Spieleautoren für das Spiel bereit hällt, ist Miss Canada wirklich einzigartig. Sie war eine der schillendsten Personen auf der Messe und konnte sogar dem geneigten Publikum "Container" erklären. Während sie am Donnerstag noch gute Mine zum bösen Spiel machte, als die Paletten mit "Container" nicht rechtzeitig zu Messebeginn auf dem Stand waren, konnte sie ab ca.16.oo Uhr wieder richtig Lächeln und im Hintergrund "Container" verkaufen lassen.
Das war dann auch die Halle, in der die meisten "merkwürdigen" Gestalten umher liefen. Glücklicherweise waren sie ansonsten friedlich, auch wenn sie Laserschwerter und Streitäxte trugen. Die weniger bösen verführten dann mit Preisen, die fast unglaublich erscheinen. So sollte eine Tasse voller Würfel z.B. nur 3 Euro kosten. Selber Schlud, wer sich hier verführen lässt, denn etwas Disziplin sollte auf so einer Verkaufsmesse doch nicht das Problem sein. Hinterher fragt man sich doch nur, was man mit diesen bunt gemischten Würfeln anfangen soll. Ich weiß es nicht - noch liegen sie unausgepackt in meinem Messe-Klappkorb.
Spiele mit besonders schöner Ausstattung gibt es nicht erst seit es Meisterdiebe gibt, sondern schon ein wenig länger. Stände auf der Spiel waren allerdings bislang von nützlicher Schlichtheit geprägt, die allenfals durch das Verlags-Logo durchbrochen wurde. Wenn ich mir in diesem Jahr allerdings den Stand von Phalanx ansehe, so erinnert er mich - durch seine edle Gestaltung - nicht nur ein wenig an den Stand von Czarné und LudoArt. OK, es hat ja keiner gesagt, daß nur Spiele schön aussehen dürfen.
Erstmalig hat alea in diesem Jahr auf einen Stand verzichtet, an dem sie einen zu 95% fertigen Prototypen präsentieren. Die Folge davon war, daß alea als Unteraussteller beim Mutterkonzern Ravensburger auf dem Stand mit vertreten war. Hier war es allerdings nicht sehr einfach, das alea-Logo zu entdecken - das Spiel hingegen war problemlos am Stand ausleih- und spielbar. So schnell können aus Traditionen nur noch kleine Erinnerungen an die Vergangenheit werden. Ich für meinen Teil habe immer gern bei alea vorbei geschaut - bei Ravensburger macht dies nicht mehr ganz so viel Spaß, da der Verlag entsprechend bekannt und seine Sitzplätze somit belagert sind.
Natürlich gab es auch in diesem Jahr noch viel, viel mehr zu sehen, aber da niemand über alle Spiele berichten kann und will, kann es nur dabei bleiben, sich mit einem kleinen Teil des großen Kuchens zufrieden zu geben. Ich beende hiermit meinen Essen-2oo7-Rückblick und freue mich darauf, die neuen Spiel in den nächsten Wochen Stück für Stück ein wenig näher kennen zu lernen.